Die Anreise nach Mailand erfolgte gestern ohne Fahrrad und ist folglich im Bahnstreckensammler-Blog beschrieben. Mein Frühstück in Mailand bestand aus Cappuccino, Schokocroissant und Pistaziencroissant und kostete insgesamt 4,50 €. Später werden wir in San Cipriano Po für 14 € ein Mittagsmenü genießen, das aus 2 Gängen, Wein, Wasser und Kaffee besteht. Zwischen Frühstück und Mittagessen liegen meine Bahnanreise von Milano Greco Pirelli nach Piacenza und der erste Abschnitt unserer Radreise Richtung Genua.
In Piacenza treffe ich Martin, Alex, Harald – und mein Fahrrad, das sie mir mitgebracht haben. Die heutige Etappe ist über 120 Kilometer lang, da sollten wir schnell starten? Quatsch: Erstmal rollen wir durch die hübsche Innenstadt und genießen einen Espresso Macchiato. Kilometer ballern können wir immer noch, jetzt genießen wir erstmal Dolce Vita und freuen uns, dass wir uns wiedersehen.
Nach 30 Kilometern am Po sind wir noch lange nicht im Arsch, der Einstieg in die Etappe war flott und entspannt. Uns begegnen wenige andere Menschen oder gar Radfahrer. In Erinnerung bleibt ein Franzose, der weder Orientierung noch Fremdsprachenkenntnisse hat.
Tiere begegnen uns in der Poebene häufiger als Menschen. Der Komoot-Track führt uns mitten durch einen großen Milchkuhhof (und gleich danach mitten durch einen Bach). Einen Schreck jagt uns eine tote Schlangen auf der Straße ein.
Die zahlreichen Wurzelaufbrüche und unbefestigten Passagen tragen dazu bei, dass die Hände heute mehr weh tun als die Beine. Einmal weichen wir gar auf den Acker aus, weil er besser befahrbar ist als der benachbarte Weg.
Nach einer letzten längeren Offroad-Passage durch hohe Gräser, die unsere Schaltungen verstopfen, erreichen wir Voghera. Leider handelt es sich bei der Innenstadt um eine autoverseuchte Enttäuschung, die wir schnell wieder verlassen. Natürlich nicht, ohne vorher ein Eis zu essen.
Der „Greenway“, der einer alten Bahntrasse von Voghera Richtung Apennin folgt, ist hingegen ein großer Höhepunkt. Wir sind fast alleine auf dem schönen Radweg, genießen die Abendsonne und den Asphalt. Mein Garmin zeigt mir einen 40-km-Rekord von 1:35 Stunden an.
122 Kilometer bei idealen Bedingungen, nicht zu kalt und (in der Poebene viel wichtiger!) nicht zu warm, trocken, oft Rückenwind. Der erste Tag ist gut gelungen. Dass der Wegbelag oft zu wünschen übrig ließ, habe ich mir selbst zuzuschreiben, ich hätte den GPS-Track ja auch über Straßen führen können. Straßen fahren wir dann morgen, wenn wir uns viele Höhenmeter durch den Apennin schrauben. Heute endet der Tag im wunderschönen Agroturismo Spizzirò. „Das letzte Haus am Ende der Straße“ verlangt zwar nochmal ein paar Höhenmeter, aber die lohnen sich.
Abendessen gibt es hier keines, dafür müssen wir ein paar Kilometer zur Osteria La Piola fahren – können dafür aber einfach das Auto der Vermieterin haben. Ich mag vieles an Italien, der Pragmatismus gehört auch dazu. Das Abendessen ist eine unglaublich leckere Völlerei aus eigener Schlachtung. Die italienische Küche mag ich noch mehr als den Pragmatismus.
Kleiner Wehrmutstropfen zum Tagesabschluss: 3 von 4
Fahrrädern haben die heutige Etappe mit einem Plattfuß beendet, meines
gehört auch dazu. Damit habe ich jetzt in vier Wochen mit drei
verschiedenen Fahrrädern einen Platten gehabt, das habe ich vorher noch
nie geschafft…
Am nächsten Morgen ein letzter netter Plausch mit
der Vermieterin. Ihr Personalausweis (sie meint wohl: das dort aufgedruckte Geburtsjahr) hat ihr mitgeteilt, dass sie jetzt
keine Tiere mehr halten sollte, sondern nur noch Honig produzieren... Wir
starten voller Vorfreude und mit Luft in allen acht Reifen. Auch nach
dem Ende des Bahntrassenradwegs bleibt die Straße wenig befahren. Im
beginnenden Anstieg achte ich darauf, dass ich den Puls noch nicht über
140 bringe. Vor uns türmt sich der Apennin auf, da wollen wir hoch.
Unser (Zwischen)Ziel ist Pian del Poggia, immerhin 1.335 Meter hoch. Die
Vermieterin hatte uns vor der steilen Auffahrt gewarnt. Aber bei allem
Respekt, eine ältere Dame, die nicht oft auf dem Fahrrad sitzt… Wir
werden das schon schaffen!
Unser Respekt vor dem anstehenden Aufstieg steigt deutlich, als uns die vorbeifahrende Gruppe von Rennradfahrern „Grandiiiiii“ zuruft als Reaktion auf unsere Erklärung, dass wir gleich den Abzweig zum Pass nach rechts nehmen. Die Rennradfahrer halten sich links. Unser Pass scheint der deutlich schwierigere zu sein.
Nicht nur, dass uns alle vor der Auffahrt warnen: Wir nähern uns auch den Gewitterwolken. Es wird immer dunkler und irgendwann passiert, was passieren musste: Es fängt an zu schütten. Zum Glück hält die Regenschlacht nur kurz an (und wir können uns unter Bäumen einigermaßen unterstellen), den größten Teil der Auffahrt können wir im Trockenen genießen. Trotzdem ein bisschen ärgerlich, dass der Wetterbericht so überhaupt gar nichts von Regen angekündigt hatte, sonst hätte ich vielleicht doch Regenkleidung eingepackt…
Mitten im
Wald an einer Straßenabzweigung treffen wir auf die „Appennino bike
tour“. Die ist insgesamt über 3.000 Kilometer lang führt von der
französischen Grenze bis kurz vor Sizilien einmal den Apennin entlang.
Heute und morgen werde ich zum ersten Mal ein paar Abschnitte davon
unter die Räder bringen – mit dem Ergebnis, dass sie auf meiner
Bucketlist noch weiter nach oben wandert.
Ich hab heute richtig
gute Beine, im flotten Tempo genieße ich die Auffahrt. Oberhalb des
wunderschönen Unterwegskaffs Casale Staffora stoppe ich kurz, um Fotos
von den anderen zu machen, wie sie an mir vorbeifahren. Weiter oben
setze ich mich dann endgültig vom Hauptfeld ab und klettere flott der
Passhöhe entgegen.
In Pian del Poggia angekommen, ist erstmal unklar, ob hier überhaupt eine Gastronomie geöffnet hat. Wir haben Glück und finden ein Restaurant, in dem wir uns aufwärmen und mit Kalorien vollstopfen können. Die Nonna kommt häufiger mit der Pastaschüssel an den Tisch und gibt uns Nachschlag. Herrlich. Leider müssen wir irgendwann weiterfahren, was die Finger aufgrund der Kälte in ein helles rot verfärbt.
An der eigentlichen Passhöhe in Capannette di Pey ist es uns wieder warm. Wir machen einen Fotostopp, beobachten beeindruckt die vorbeikommenden Bergläufer und lassen uns davor warnen, dass unser Übernachtungsort Ronco Scrivia sehr hässlich sein soll.
Während der Abfahrt erwischt uns nochmal ein heftiger Regenguss, aber danach klart der Himmel endgültig auf und wir genießen des Rest der Etappe bei traumhaftem Sonnenschein.
Nach der Abfahrt ist vor der nächsten Auffahrt. Auch die ist schön, verkehrsarm - und diesmal auch trocken. Eine traumhafte Route ist das. Mein erster Tag auf der Appennino Bike Tour wird definitiv nicht der letzte sein.
Vor dem Zielort erwarten uns noch mehrere 70-Meter-Anstiege. Meine Beine spielen weiter problemlos mit. Für irgendwas war dieses ganze Wintertraining also tatsächlich gut.
Ein Zugfoto kostet mich dann doch noch ordentlich Körner, weil ich gegen den Wind zur Gruppe aufschließen muss. Aber ich konnte den „Rock“ im Sriviatal natürlich nicht unfotografiert lassen.
Nach der Übernachtung in einer sympathischen Ferienwohnung in einem in der Tat nicht ganz so hübschen Ort steigen wir am dritten und letzten Tag auf den Sattel – und werden gleich richtig gefordert. Beim ersten Anstieg kommt einem glatt das Frühstück wieder hoch. Bis zu 18 % Steigung, aber nie gleichbleibend, so dass man ständig einen neuen Rhythmus finden muss.Dieser erste Anstieg ist durchaus repräsentativ für die gesamte letzte Etappe: es bleibt schön – und anstrengend. Bis wir irgendwann das verwitterte Ortsschild „Genova“ erreichen. Direkt dahinter folgt der erste Blick hinunter zur Adria – und dann die grandiose lange Abfahrt nach Genua.
Die letzten Kilometer durch die Vorstädte sind eher mittelschön, aber dann erreichen wir das herrliche Zentrum. Genua zählt zu meinen italienischen Lieblingsstädten – ich bekomme heute bestätigt: zu Recht. Ein letzter gemeinsamer Imbiss in einem Restaurant namens Burger King, dessen Toilette ich nutze, um mich umzuziehen. Dann verabschiedet sich die Reisegruppe Südtirol und nimmt mein Fahrrad mit – das werde ich ein paar Wochen später in Bozen wieder entgegennehmen, um eine Alpenüberquerung zu starten.
Spurführung eisenbahntypisch über Rad-Schiene, Kraftübertragung über Gummireifen auf Beton: findet man heute noch in der Pariser Metro, gab es auch mal auf einer Schmalspurbahn im Hinterland von Genua. Diese sogenannte „Guidovia“ führte ab 1929 gut zehn Kilometer und über 700 Höhenmeter lang von San Quirico zum Kloster Nostra Signore della Guardia. 1967 wurde die Bahn eingestellt, aber ihre Spuren aus Beton, Eisen und gemauerten Tunnels findet man heute noch im Wald unterhalb der Wallfahrtskirche. Es ist also logisch, was ich mir am Nachmittag von Genua aus noch anschaue. Den Wallfahrtsberg erreicht man mit einem wendigen Bus über eine spektakuläre, kurvenreiche Straße. Die Busfahrt macht fast genauso viel Spaß wie die Wanderung auf der alten Bahntrasse.






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